Die Gewehre der Frau Carrar / Würgendes Blei
von Bertolt Brecht / eine Fortschreibung von Björn SC Deignervon Bertolt Brecht / eine Fortschreibung von Björn SC Deigner
Keine Pause
Nach ca. 50 Minuten gibt es eine laute Bühnenverwandlung, ähnlich einem Knallgeräusch.
Ein Fischerdorf in Andalusien 1937 nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs. General Francos Truppen rücken immer näher. Im Haus der Teresa Carrar und ihrer beiden Söhne José und Juan ist das ferne Dröhnen der Bomben schon dumpf zu hören, aus dem Radio plärren die hasserfüllten Einschüchterungsparolen der Faschisten. Frau Carrar hat ihren Söhnen verboten, sich dem Kampf gegen Franco anzuschließen. Denn sie sind arme Leute, wie die Carrar sagt, «und arme Leute können nicht Krieg führen». Verzweifelt hofft sie, von Krieg und Terror verschont zu bleiben. Doch wie lange kann Frau Carrar sich und ihre Söhne noch schützen? Und was soll sie ihrem Bruder entgegnen, der sie auffordert, die im Haus versteckten Gewehre herauszugeben und der die alles entscheidende Frage stellt: «Wenn dich die Haifische angreifen, bist dann du es, der die Gewalt anwendet?» Anders als Bertolt Brechts Lehrstücke wirkt sein Schauspiel «Die Gewehre der Frau Carrar» geradezu realistisch. Brecht selbst spricht sogar fast entschuldigend von «Einfühlungsdramatik». Dabei kreist in seinem kurzen Stück alles um die beunruhigende Frage, ob es angesichts eines von Vernichtungs- und Unterwerfungswillen getragenen gewaltsamen Angriffs das Recht oder überhaupt die Möglichkeit neutraler Enthaltung gibt – eine aus heutiger Perspektive erschreckend aktuelle Frage.
1938 regte Brecht an, sein Stück könnte beispielsweise zusammen mit einem Dokumentarfilm gezeigt werden. Das Residenztheater hat stattdessen den Dramatiker Björn SC Deigner beauftragt, Brechts bohrende Frage mit einem eigenen Stücktext in der Gegenwart fortzuführen: «Würgendes Blei» sucht dabei nach einer Sprache für den überzeitlichen Schrecken von Krieg und Zerstörung.
Den zweiteiligen Abend inszeniert die Regisseurin, Medienkünstlerin und Hörspielmacherin Luise Voigt, deren visuell beeindruckende und hochmusikalische Inszenierungen für Furore sorgen und die erstmals am Residenztheater arbeitet.
Über den Autor Björn SC Deigner
Björn SC Deigner wurde 1983 geboren und studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Er ist Dramatiker und Hörspielautor sowie Sounddesigner und Komponist für Hörspiel und Bühne. Zu seinen Stücktexten zählen u.a. «Kleists ‹Kohlhaas› dargestellt durch das Liebhabertheater ‹Die freche Distel›» (UA 2024, Staatstheater Meiningen), «Zeit wie im Fieber (Büchner-Schrapnell)» (UA 2023, Staatstheater Stuttgart), «Tiefer Grund» (UA 2022, ETA Hoffmann Theater Bamberg), «Spieler und Tod» (UA 2021, Staatstheater Saarbrücken). Deigner wurde zu den Autorentheatertagen 2018 am Deutschen Theater Berlin und zum Heidelberger Stückemarkt 2019 eingeladen. Als Hörspielautor erhielt er für die Hörspielversionen seiner Stücke «In Stanniolpapier» und «Die Polizey» die Auszeichnung «Hörspiel des Monats» der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. Die Hörspielproduktion «Die Jahre» von Annie Ernaux, für die Deigner die Musik komponierte, wurde mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2020 ausgezeichnet. Die Inszenierungen seiner Theatertexte «Die Polizey» (UA 2020, ETA Hoffmann Theater Bamberg) und «der Reichskanzler von Atlantis» (UA 2019, ETA Hoffmann Theater Bamberg) wurden 2020 bzw. 2021 zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen.
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Literaturempfehlungen aus der Dramaturgie
«Die Gewehre der Frau Carrar»
von Bertolt Brecht
«Die Evolution der Gewalt: Warum wir Frieden wollen, aber Kriege führen. Eine Menschheitsgeschichte»
von Harald Meller, Kai Michel und Carel von Schaik
VORSPIEL
Perfekt für den Weg ins Theater: Mit dem VORSPIEL des Residenztheaters in wenigen Minuten bestens auf die Inszenierung vorbereitet. In unseren Audiokurzeinführungen erfährt man alles Wichtige, kurz und knapp – einfach reinhören und entspannt in den Theaterabend starten!