Tartuffe oder Das Schwein der Weisen
von PeterLicht nach Molièrevon PeterLicht nach Molière
1 Pause
Trailer
«Tartuffe» war jene Komödie Molières, die unmittelbar nach ihrer Uraufführung 1664 in der Blüte des Barocks mit dem Bann des Aufführungsverbots belegt wurde. Die einflussreiche katholische «parti des dévots» sah sich durch Molières Figurenzeichnung angegriffen, denn hinter Tartuffes Maske der Gottesfürchtigkeit und Tugend wird sichtbar, dass dieser ausschließlich an monetären und sexuellen Bedürfnisbefriedigungen interessiert ist. Und so kämpft die Familie des Bürgers Orgon gegen Tartuffes Einflussnahme auf den von ihm geblendeten Patriarchen und versucht, ihre dem gängigen Moralkodex vermeintlich zuwiderlaufende Lebensführung zu verteidigen.
Der Autor und Musiker PeterLicht löst das für uns heute nur unzureichend lesbare Sittengemälde aus der gesellschaftspolitischen Realität des französischen Absolutismus und nimmt in seiner Neudichtung «Tartuffe oder das Schwein der Weisen» die Gegenwart ins Visier. Dabei operiert er durchaus mit dem Personal des Originals, dessen literarische Nachfahren sind allerdings einem Übermaß an Freiheit(en) ausgesetzt: In säkularen Zeiten herrscht der Horror Vacui und so erhofft und fürchtet die «sozial miteinander connectete Skulptur» das Erscheinen Tartuffes, er dient als Wunschmaschine und Projektionsfläche.
«Alte Texte muss man zerstäuben. Man muss sie Wort für Wort zerreiben. Und den Plot verschleißen, dann entsteht wieder etwas, was da mal war. Vielleicht etwas im Sinne Molières. Ich hege große Sympathie für diesen Autor. Aber ich bin kein Historiker. Wort- oder Plottreue kann ihn auch nicht mehr retten.» PeterLicht
Claudia Bauer wurde mit dieser rasanten, präzisen und opulenten Arbeit zum Berliner Theatertreffen 2019 eingeladen. Ihre Inszenierung «Der eingebildete Kranke oder das Klistier der reinen Vernunft» von PeterLicht ist auch weiterhin im Repertoire zu sehen.
Zum Autor PeterLicht
Der deutsche Musiker und Autor PeterLicht bewegt sich mit seiner Arbeit zwischen Text und Musik, Popkultur und Theater. Er veröffentlichte zahlreiche Alben, u. a. «14 Lieder» (2001), «Stratosphärenlieder» (2003), «Lieder vom Ende des Kapitalismus» (2006), «Melancholie und Gesellschaft» (2008), «Das Ende der Beschwerde» (2011), «Lob der Realität» (2014) und «Wenn wir alle anders sind» (2018). 2006 erschien sein erstes Buch «Wir werden siegen – Buch vom Ende des Kapitalismus», es folgten «Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends» (2008, ausgezeichnet mit dem 3sat-Preis und dem Publikumspreis im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs 2007) und «Lob der Realität» (2014). 2009 kuratierte PeterLicht an den Münchner Kammerspielen das «Festival vom unsichtbaren Menschen». Folgende seiner Stücke kamen zur Aufführung: «Räume Räumen» (UA 2009, Regie: PeterLicht und SE Struck, Münchner Kammerspiele), «Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends» (UA 2009, Regie: Florentine Klepper, Theater Basel), «Der Geizige. Ein Familiengemälde nach Molière» (UA 2010, Regie: Jan Bosse, Maxim Gorki Theater Berlin), «Das Abhandenkommen der Staaten» (UA 2010, Regie: Mareike Mikat, Schauspiel Leipzig), «Wunder des Alltags» (UA 2012, Regie: Peter Kastenmüller, Düsseldorfer Schauspielhaus), «Das Sausen der Welt» (UA 2013, Regie: SEE!, Schauspiel Köln), «Der Menschen Feind» (UA 2016, Regie: Claudia Bauer, Theater Basel), «Tartuffe oder das Schwein der Weisen» (UA 2018, Regie: Claudia Bauer, Theater Basel), «Der eingebildete Kranke oder das Klistier der reinen Vernunft» (UA 2019, Regie: Claudia Bauer, Residenztheater) und «Der diskrete Charme der Bourgeoisie» nach Luis Buñuel (UA 2022, Regie: Claudia Bauer, Schauspiel Frankfurt). Im Wintersemester 2020/2021 hatte PeterLicht eine Gastprofessur am Deutschen Literaturinstitut an der Universität Leipzig inne. 2021 erschien sein Romandebüt «Ja okay, aber».