Am alten Platz in neuer Gestalt - Das neue Residenztheater ab 1951
Veranstaltung des Kulturprogramms «1945–2025 Stunde Null? Wie wir wurden, was wir sind»Veranstaltung des Kulturprogramms «1945–2025 Stunde Null? Wie wir wurden, was wir sind»
«Erbaut in einer Zeit großer innerer und äußerer Not» sollte das Bayerische Staatsschauspiel «Freude und Besinnung schenken». In Vorträgen des Theaterwissenschaftlers Rasmus Cromme (LMU München) und des Architekten und Bauhistorikers Peter Kifinger (TU München) wird die gesellschaftspolitische Dimension der Neueröffnung des Residenztheaters im Nachkriegs-München beleuchtet. Die Ensemblemitglieder Cathrin Störmer und Robert Dölle veranschaulichen mit gelesenen Textausschnitten die Kontroversen und Erwartungen an eine der «modernsten Bühnen Europas» im Rahmen der «Wiedereröffnung – am alten Platz in neuer Gestalt» im Jahr 1951.
Peter Kifinger: Kontinuitäten
Bauhistorische Betrachtungen zum (neuen) Residenztheater
Der Vortrag hinterfragt das Narrativ der «Stunde Null» anhand einer bauhistorischen Lesart des neuen Residenztheaters – als Spiegel und Ergebnis seiner komplexen historischen Entwicklung.
Auf drei Ebenen von Kontinuitäten wird das Nachkriegstheater sowohl bau- als auch zeitgeschichtlich in einen größeren Kontext eingeordnet, der bewusst vor das Jahr 1945 zurückreicht:
Die Kontinuität des Ortes definiert die räumliche wie historische Verortung des Theaters im Zusammenhang mit der Münchner Residenz.
Die Kontinuität der Gestalt analysiert die heutige architektonische Erscheinung als Ergebnis überlagerter Zeitschichten.
Und die Kontinuität der Akteure beleuchtet die handelnden Personen und strukturellen Entscheidungen, die für den Wiederaufbau des Theaterbaus – eröffnet am 28. Januar 1951 – prägend waren. Dabei werden auch die «unbequemen» Kontinuitäten in einer von Aufbruch und Verdrängung geprägten frühen Nachkriegszeit offengelegt.
Rasmus Cromme: Neupositionierung
Über den Brunnenhof der Residenz zurück zum Max-Joseph-Platz – Selbstbehauptung und Neuverortung des Bayerischen Staatsschauspiels nach dem Kriegsende bis 1952
Der Vortrag zeichnet die Entwicklung des Bayerischen Staatsschauspiels von der provisorischen Spielstätte im Brunnenhof bis zur Eröffnung des neuen Hauses am angestammten Ort nach – und beleuchtet deren kulturpolitische Dimensionen.
Auf das sogenannte «Theaterwunder» der unmittelbaren Nachkriegszeit folgte eine tiefgreifende Besucherkrise. Zeitgleich wurde der Neubau beschlossen: ein «modernstes Theater Europas für München», das schnell zum öffentlich diskutierten «Fall Residenztheater» wurde. Der amtierende Intendant geriet in die Kritik und musste schließlich seinen Posten räumen.
Reflektiert wird das Spannungsfeld institutioneller, künstlerischer und medialer Dynamiken in einer Phase des Umbruchs: Entscheidungsprozesse, Zielsetzungen und Strukturen erweisen sich dabei oft als widersprüchlich – ein Blick auf das Bayerische Staatsschauspiel im Spiegel des öffentlichen Interesses in einer neuen Zeit.
Peter Kifinger ist Architekt und Bauhistoriker. Er studierte an der Technischen Universität München (TUM) Architektur mit baugeschichtlichem Schwerpunkt. Seit 2012 arbeitet er in einem Münchner Ingenieur- und Architekturbüro im Bereich der praktischen Denkmalpflege und Bauforschung. Zudem war er ab 2013 am Department Architektur der TUM in verschiedenen Positionen in der Lehre tätig und ist seit 2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Baugeschichte, Historische Bauforschung und Denkmalpflege, Prof. Alexander von Kienlin. Sein Forschungsschwerpunkt ist Leo von Klenzes Münchner Werk im Wiederaufbau nach 1945.
Rasmus Cromme ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München. An der Bayerischen Theaterakademie August Everding und an der LMU studierte er Diplom-Dramaturgie, Englische Literaturwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre. Am Staatstheater am Gärtnerplatz war er Mitarbeiter der Dramaturgie, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, an der Bayerischen Staatsoper im Kinder- und Jugendprogramm tätig. Er promovierte über die Profilierung des Gärtnerplatztheaters (Thaliens Vermächtnis) und war Mitarbeiter im Forschungsprojekt zur Geschichte der Bayerischen Staatsoper («Wie man wird, was man ist – Die Bayerische Staatsoper vor und nach 1945»). Zuletzt arbeitete er zu Freien Bühnen und Kollektiven der Münchner Theaterszene.