Amphitryon
Lustspiel von Heinrich von Kleist nach MolièreLustspiel von Heinrich von Kleist nach Molière
Keine Pause
1807 erscheint Heinrich von Kleists «Amphitryon», erst zweiundneunzig Jahre später kommt das Stück zur Uraufführung. Als Grundlage dient Kleist Molières gleichnamige Komödie von 1668, die er zu einem Lustspiel umarbeitet – zu einem Kleist’schen Lustspiel, wohlgemerkt. Dem Stoff liegt der antike Mythos um die Geburt des Halbgottes Herkules zugrunde. So komisch die Geschichte auch sein könnte – vom Gott Jupiter, der in Menschengestalt auf die Erde kommt und Amphitryons Frau Alkmene während dessen Abwesenheit verführt und mit ihr ein Kind zeugt, wie auch diejenige von Amphitryons treuem Diener Sosias, der Merkur in Gestalt seiner selbst bei seiner Rückkehr zu Hause antrifft –, die angerichtete Verwirrung ist mit den Mitteln der Vernunft nicht zu begreifen und stürzt die unschuldig Betroffenen in eine tiefe Bewusstseinskrise. Während Sosias stoisch die Aberkennung von Namen, Ehebett und Kleidung bis hin zum eigenen Körper erträgt und die Erlösung abwartet, fällt Amphitryon, der selbst von seiner geliebten Frau Alkmene nicht mehr als dieser erkannt wird, ins Bodenlose.
«So muss ich auf mich selbst Verzicht jetzt leisten?»
Was bleibt von uns übrig, wenn uns die Identität aberkannt, unsere Selbstgewissheit aufgelöst wird – und gar das eigene Augenlicht uns Lügen straft? Durch ein göttliches Spiel steht nichts weniger als die Beglaubigung des eigenen Ich in Zweifel und ermächtigt nur die Götter selbst, mit der Aufklärung desselben die Ordnung der Welt wiederherzustellen. Kleist beschreibt in seinem Lustspiel die zeitlose menschliche Zerbrechlichkeit, indem er sie der Zerstörung durch die Aberkennung des Menschseins aussetzt.
In der Inszenierung von Hausregisseurin Julia Hölscher spiegelt sich die zerrissene Selbstsuche der Protagonist*innen in einem gekonnten Verwirrspiel zwischen Lust, Ernüchterung, Selbstbehauptung und Verlorenheit wider. Am 23. Januar 2020 folgt ihre neue Arbeit für das Residenztheater, «Der starke Stamm».
Übernahme der Inszenierung des Theater Basel