Historie

Die Geschichte des Residenztheaters

Das Bayerische Staatsschauspiel (Residenztheater) ist eines der traditionsreichsten und bedeutendsten Sprechtheater Deutschlands und mit einem Ensemble von über 50 Schauspieler*innen und 450 Mitarbeiter*innen auch eines der größten. Neben der Bayerischen Staatsoper, der Theaterakademie August Everding/Prinzregententheater und dem Gärtnerplatztheater ist es eines der vier Bayerischen Staatstheater in München.
 

Das Residenztheater verfügt über drei Spielstätten: das Haupthaus am Max-Joseph-Platz mit 877 Plätzen, das Cuvilliéstheater mit 523 Plätzen und den Marstall mit max. 160 Plätzen. Sie alle liegen in unmittelbarer Nachbarschaft der Residenz im Herzen Münchens.

Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Residenztheaters

(dieser Text wird laufend aktualisiert)

 

Das Residenztheater initiiert mit der Premiere von «Mitläufer» den Prozess einer fundierten Aufarbeitung um seine Rolle, die Dimensionen und die weitreichende Verantwortung des Bayerischen Staatsschauspiels im Nationalsozialismus aufzuarbeiten.

 

Zu Beginn dieses andauernden Prozesses wurden der deutsch-israelische Regisseur Noam Brusilovsky und für die Recherche Lotta Beckers damit beauftragt sich mit dem widersprüchlichen Erbe seiner Leitungsfiguren der 30er und 40er Jahre zu beschäftigen. In ihrem Rechercheprojekt «Mitläufer», dass am 9. November 2023 erstmals zur Aufführung kam, wird ein Fokus auf den Chefdramaturgen Curt Langenbeck (1938-1945) und den beiden Intendanten Oskar Walleck (1934-1938) und Alexander Golling (1938-1945) gerichtet.

 

Die Ergebnisse dieser Recherche und weiterführende künstlerische sowie wissenschaftliche Aufarbeitungsschritte bilden einen festen Bestandteil für die historische Reflexion über das Residenztheater und seine NS-Vergangenheit.

 

Oskar Walleck: Karriere in den Diensten der NSDAP

 

In den frühen Jahren der NS-Herrschaft prägte Oskar Walleck das Münchner Residenztheater. 1932 trat er der SS bei und wurde im darauffolgenden Jahr Mitglied der NSDAP. Auf Grund seiner Theaterkarriere wurde er 1934 zum Generalintendanten des Bayerischen Staatstheaters ernannt. In dieser Position war er sowohl für das Staatsschauspiel als auch für die Staatsoper verantwortlich. Neben seinen Theateraufgaben übernahm er wichtige Funktionen wie die Präsidentschaft des Deutschen Bühnenvereins und nach Berufung durch Joseph Goebbels die Mitgliedschaft im Präsidialrat der Reichstheaterkammer. 1936 wurde er zum Leiter der Obersten Theaterbehörde in Bayern ernannt, einer neu geschaffenen Behörde im Innenministerium der NSDAP.

 

Oskar Walleck beteiligte sich aktiv an der Umsetzung der Nürnberger Gesetze von 1935, indem er sich gegen die Weiterbeschäftigung von Schauspieler:innen mit jüdischen Ehepartner:innen aussprach und einen Theaterkritiker im selben Jahr als «jüdisch» denunzierte. Nach seiner Beurlaubung im September 1938 setzte er seine Karriere im von Deutschland besetzten Tschechien als Generalintendant der Deutschen Theater Prag 1939 fort.

 

Alexander Golling und Curt Langenbeck: Neue Akteure im NS-Kontext

 

Nach Wallecks Ausscheiden übernahm Alexander Golling die Leitung des Staatsschauspiels. Golling, Mitglied der NSDAP seit 1933 und kurz zuvor zum Staatsschauspieler ernannt, führte das Theater von 1938 bis 1945, in einer Zeit, in der die Kunst eng mit der nationalsozialistischen Ideologie verflochten war. Alexander Golling verkehrte sowohl vor als auch während seiner Tätigkeit als Staatsintendant am Residenztheater in den obersten Kreisen der NSDAP, unter anderem mit Adolf Hitler und Kultusminister und Gauleiter Adolph Wagner. Als Chefdramaturg wurde Curt Langenbeck eingesetzt, ein systemtreuer Dramatiker, der zwar kein Parteimitglied war, aber eine völkisch orientierte Denkweise vertrat und in seiner Tätigkeit als Schriftsteller an der Ausgestaltung der NS-Ideologie arbeitete.

Der erste Intendant des «neuen» Residenztheaters nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Schauspieler Alois Johannes Lippl. Er überwacht den zweijährigen Bau und berichtet von unzähligen Besprechungen, Sitzungen, Konferenzen und Bittgängen, die für die Fertigstellung des «Resi» notwendig waren. 1953 übernimmt der ehemalige Schauspieler Kurt Horwitz die Intendanz des Hauses. Fünf Jahre später wird der Redakteur und Theaterkritiker Helmut Henrichs zum Leiter ernannt. Henrichs arbeitet mit einem hervorragenden Ensemble, zu dem unter anderem Edith Heerdegen, Christine Ostermayer und Hans-Michael Rehberg gehören. Ganze 14 Jahre wird das Haus von Henrichs geführt.
 

1972 wird er dann von Kurt Meisel abgelöst. Dieser schafft es in seiner pragmatischen Art, besonders viele Münchner an das Haus zu binden. Zu seinem Ensemble zählen unter anderen Walter Schmidinger und Ingmar Bergman, der einige Jahre in München lebt, insgesamt zehn Inszenierungen umsetzt und «Szenen einer Ehe» hier sogar uraufführt. Meisels Spielplan besteht aus Stücken, die «ziehen». Was nicht «zieht», wird abgesetzt. Während seiner Intendanz finden 123 Premieren statt, unter anderem der Publikumsrenner «Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben», das insgesamt über 1000 Mal am Residenztheater zu sehen war. 1983 wird Frank Baumbauer unter der Generalintendanz von August Everding mit 38 Jahren zum bisher jüngsten Intendanten des Residenztheaters. Er leitet es drei Jahre, bevor er nach Stuttgart wechselt – um nach der Intendanz von Dieter Dorn als Intendant der Münchner Kammerspiele wieder nach München zurückzukehren. Von 1986 bis 1993 ist Günther Beelitz und von 1993 bis 2001 Eberhard Witt Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels. 2001 wechselt Dieter Dorn, der zuvor bereits 20 Jahre als Hausherr der Münchner Kammerspiele das Theater in München prägte, ans Residenztheater, er bringt einen Großteil seines Ensembles mit und leitet das Resi bis 2011.


Nachfolger von Martin Kušej, der das Residenztheater von 2011 bis 2019 leitet, ist ab der Spielzeit 2019/2020 Andreas Beck.